Bitter Wash RoadGarry Disher

Bitter Wash RoadGarry Disher

Constable Paul Hirschhausen wird in eine Kleinstadt versetzt, da er zuvor in einer korrupten Polizeibehörde tätig war und seine eigenen Leute anzeigen musste.
Kurz darauf wird ein junges Mädchen tot am Straßenrand aufgefunden. Er bezweifelt, dass sie einfach nur überfahren wurde. Ebenso glaubt er nicht an den Selbstmord einer Frau, der sich kurz darauf ereignet. Seine neuen Kollegen sehen das anders und versuchen Tatsachen zu verschleiern. Daher ist Constable Hirschhausen, genannt Hirsch, erneut mit seiner Meinung allein und muss feststellen, dass auch in dem kleinen Ort nahe Tiverton nicht alles mit rechten Dingen zugeht.
Garry Disher ist ein Meister der Krimiliteratur. Der außerordentliche Plot der Geschichte überzeugt genauso wie das sprachliche Niveau dieses Buches.
Die Spannung wird bis zum Ende aufrecht erhalten. Außerdem wird die Atmosphäre der beschriebenen Kleinstadt brillant beschrieben. Es wird deutlich, wie schwierig es ist von außen in eine derart bestehende Dorfgemeinschaft einzudringen. Nach und nach versteht Constable Hirschhausen die Beziehungen und Abhängigkeiten der einzelnen Personen.
Als Leser werden wir Teil davon und stehen ihm bei der Lösung seines Falles zur Seite.
Krimilektüre auf höchstem Niveau. Ein Genuss für alle Fans dieses Genres.

 

Eine Empfehlung von: Antje Stock

Von Geist und GeisternHilary Mantel

Von Geist und GeisternHilary Mantel

In 3 bis 30 Worten: worum geht’s?
Hilary Mantel erzählt ihre Lebensgeschichte im England der 60er und 70er Jahre. Sie zeichnet in eindrucksvollen Szenen, wie sie ihr Selbstgefühl gewinnt – trotz ihrer verunsichernden Familienkonstellation, des ignoranten und repressiven Schulsystems und einer sehr belastenden Krankheitsgeschichte in jungen Jahren. Klug, selbstbewusst, humorvoll.

Heiter oder wolkig?
Sowohl als auch

Spannend?
Brauchte keinen Plot, um mich zu fesseln

Große Gefühle?
Ja

Hinterher ist man klüger?
Ja, ohne Wissensballast

Wie schreibt die denn so?
Kraftvoll, differenziert, eindringlich

Sätzen/Szenen/Bilder, die man nicht vergisst?
Silvesterabend im 10-Bett-Zimmer der Gynäkologie, als die jungen, sehr kranken Frauen sich gegenseitig schminken und der diensthabende Arzt ruft „Oh ihr Mädchen! Was seid ihr denn für welche?“.

Was noch gesagt werden sollte:
Diese Autobiografie hat mich an Sartre „Die Wörter“ und Leiris „Mannesalter“ erinnert; um zwei großartige Beispiele zu erwähnen

Wen interessiert’s?
Neugierige Menschen (Frauen?) und alle, die die Autorin Hilary Mantel schätzen.

5 Sterne, ohne Wenn und Aber

 Eine Empfehlung von: Catherine

Im Frühling sterbenRalf Rothmann

Im Frühling sterbenRalf Rothmann

In 3 bis 30 Worten: worum geht’s?
Der Vater des Autors erlebt seine letzten Tage im Krankenhaus. Er „hört“ immer wieder den Krieg und ist kaum zu beruhigen. Rothmann erzählt seine Geschichte: Walter, damals 18-jährig, und mit ihm zusammen sein Freund Fiete – ein Gymnasiast, der ebenfalls als Melker seinen Arbeitsdienst tut – müssen sich im Frühjahr 45 „freiwillig“ bei der SS melden und werden in Ungarn eingesetzt. Wie sich am Kriegsschauplatz die Wege der beiden Freunde wieder kreuzen und warum Walter seinen Kindern nie etwas vom Krieg erzählt hat, wissen und verstehen wir nach diesem Buch.

Heiter oder wolkig?
Ganz und gar wolkig

Spannend?
Fesselnd, weil eine Bedrohung immer spürbar ist

Große Gefühle?
Ja

Hinterher ist man klüger?
Ja, weil man Verständnis für die Väter entwickelt, die nicht geredet haben

Wie schreibt der denn so?
Unmittelbar und realistisch, mit sehr konkretem Wortschatz

Sätzen/Szenen/Bilder, die man nicht vergisst?
Die Exekution der drei Zivilisten bei einer Mühle in Ungarn. Die Erschießung des Freundes wegen Desertion.

Was noch gesagt werden sollte:
Es ist wieder ein Kriegsbuch, aber auch 70 Jahre später ist alles unglaublich eindringlich und gegenwärtig

Wen interessiert’s?
Die Kriegskinder oder Kriegsenkel, die das Gewicht dieser Zeit noch fühlen

5 von 5 Sternen

 Eine Empfehlung von: Catherine

Die gleißende WeltSiri Hustvedt

Die gleißende WeltSiri Hustvedt

In 3 bis 30 Worten: worum geht’s?
Das Portrait einer New Yorker Künstlerin, die die von ihr erwartete / erhoffte / ihr zustehende Anerkennung nicht erfährt und davon überzeugt ist, dass es in ihrem Frau-, nicht-Mann-sein begründet liegt. Sie erfindet ihre Kunst in drei ganz unterschiedlichen, männlichen, jungen Künstlern neu und hat den erwarteten Erfolg.

Heiter oder wolkig?
Beides – in herrlichem Übermaß

Spannend?
Im Sinne von „mehr wissen wollen“: unbedingt. Krimi: nein.

Große Gefühle?
Ja, in jeder Hinsicht

Hinterher ist man klüger?
Wenn man gelernt hat, wie wichtig die differenzierte Sicht auf die Dinge ist… Nicht zu vergessen: das Studium der Untertitel!

Wie schreibt die denn so?
Meisterhaft. Das Personal des Buches ist sehr vielschichtig und betrachtet die Protagonistin dementsprechend vielstimmig. Das ist brillant geschrieben.

Sätzen/Szenen/Bilder, die man nicht vergisst?
Zu viele, als dass sie aufzuzählen wären. Zum Beispiel die Kunst von Harriet Burden; sie wird so plastisch geschildert, dass es fast ärgerlich ist, sie nicht per Mausklick finden zu können – schönste Fiktion!

Was noch gesagt werden sollte:
Für mich das beste Buch von Siri Hustvedt

 Eine Empfehlung von: Beate

Travis Delaney – Was geschah um 16:08?Kevin Brooks

Travis Delaney – Was geschah um 16:08?Kevin Brooks

In 3 bis 30 Worten: worum geht’s?
Klassischer Kinder-Krimi. Der 13-jährige Travis ermittelt nach dem Tod seiner bei einem Autounfall umgekommenen Eltern in dem Fall, mit dem diese zuletzt als Privatdetektive beschäftigt waren. Anders als bei den üblichen Aufträgen geht es dabei um die Unterwanderung des Geheimdienstes durch einen jungen, von islamistischen Terroristen gesteuerten Pakistani.

Heiter oder wolkig?
Weder noch

Spannend?
Ja!

Große Gefühle?
Die Trauer um den Tod der Eltern ist das eigentliche Thema

Hinterher ist man klüger?
Kein Buch, das Wissen vermitteln will

Wie schreibt der denn so?
Gute Dialoge und flüssiger Text

Sätze/Szenen/Bilder, die man nicht vergisst?
Den realen Boxkampf von Travis und dem Mädchen Evie bei deren erster Begegnung im fremden Boxclub

Was noch gesagt werden sollte:
Travis handelt selbstständig und im Alleingang, gleichzeitig erfährt er Rückhalt und Geborgenheit durch den Großvater, die schicke Assistentin Courtney und einige Freunde. Das ist kindergerecht, deswegen auch für Jüngere geeignet.

Wen interessiert’s?
Ein richtig moderner Krimi für die Kids.

Eine Empfehlung von: Catherine

Alles Licht, das wir nicht sehenAnthony Doerr

Alles Licht, das wir nicht sehenAnthony Doerr

In 3 bis 30 Worten – worum geht’s?
Das Leben eines blinden französischen Mädchens und eines von Technik faszinierten deutschen Jungen während des 2. Weltkriegs. Eine Mischung aus Entwicklungsroman, Krimi und spannendem Kriegsbericht.

Heiter oder wolkig?
Beides

Spannend?
Sehr

Große Gefühle?
Ja, sofern man diese nicht nur in der großen Liebe sucht

Hinterher ist man klüger?
Ja, sowohl hinsichtlich der Zeit, speziell der deutschen Besatzung in der Bretagne, als auch hinsichtlich Radio- und Nachrichtentechnik und des Phänomens der Blindheit

Wie schreibt der denn so?
Sehr schön, zudem ist die Übersetzung hervorragend

Sätze/Szenen/Bilder, die man nicht vergisst?
Sehr viele – die Waisenkinder mit dem zusammengebastelten Empfänger, das geschnitzte Modell des Pariser Arrondissements, Szenen in der Napoli, während des Nachrichtendienstes im Feld, Saint Malo im völligen Ausnahmezustand und so weiter

Was noch gesagt werden sollte:
Ein weiteres dickes Buch über den 2. Weltkrieg – man will es wirklich nicht. Hat man sich dann doch darauf eingelassen, belohnt es in jeder Hinsicht. Dieser Roman ist 2014 auf Deutsch erschienen, gerade hat Anthony Doerr dafür den Pulitzer-Preis bekommen; aus diesem Anlass sei noch einmal darauf hingewiesen.

Wen interessiert’s?
Vom interessierten Oberstufenschüler bis ins „hohe“ Alter: jeden

Eine Empfehlung von: Beate

 

 

Die verlorenen SchwesternAdrian McKinty

Die verlorenen SchwesternAdrian McKinty

Der dritte Fall für Sean Duffy, der nach seiner Degradierung wieder als einfacher Streifenpolizist seinen Job tun muss. Bis sein ehemaliger Klassenkamerad Dermot McCann, Bombenleger der IRA, aus dem Gefängnis ausbricht und bei einer Terrorzelle in Libyen das „nächste Ding“ plant. Der MI5 zieht Duffy zur Hilfe heran, um McCann zu finden. Da taucht dessen Schwiegermutter auf und verspricht dem Polizisten einen Deal: Er findet den Mörder ihrer Tochter, sie gibt ihm den entscheidenden Hinweis auf den Gesuchten…

Das Nordirland der 80er Jahre ist ein Schauplatz, an dem die Luft brennt. Perfekt also für einen Krimi. Und so ist das Buch von McKinty auch geschichtlich interessant. Vor allem aber ist es wirklich lesenswert, spannend, mit einem klassischen Motiv (locked room) und ziemlich cool…

Die zerrissenen JahrePhilipp Blom

Die zerrissenen JahrePhilipp Blom

In 21 Kapiteln erzählt, ja: erzählt, Philipp Blom, was zwischen den beiden Weltkriegen geschah. Nicht in Form des x-ten Geschichtsunterrichts, bei dem Namen, Daten, Fakten genannt, ausgewalzt und dann wieder seziert werden. Sondern indem er im Grunde Reportagen schreibt. Über den Jazz, über das aus dem Boden stampfen sowjetischer Produktionsstädte und die Bauhaus-Bewegung, über die zitternden Kriegstraumatisierten und die Flappers, über alles auf den Kopf stellende literarisch-kulturelle Bewegungen und die Bücherverbrennung – und allein in dieser Aufzählung wird schon deutlich, was die Zeit von 1918-1938 ausmachte: eine politische, kulturelle, moralische, ethische Zerrissenheit. Den einen machte das Neue Angst, die anderen spornte es an; Gewissheiten, Ordnungen, Überzeugungen, alles wankte. Alles war möglich – und das Schlimmste geschah. Gut zu lesen, abwechslungsreich und ein bisschen gemahnend, in einer Zeit des Umbruchs (wenn manche meinen, Orientierung und Anschluss zu verlieren) die Augen offen zu halten.

Butcher’s CrossingJohn Williams

Butcher’s CrossingJohn Williams

Warum lese ich eigentlich diese Western-Abenteuer-Geschichte, fragt man sich zwischendurch. Warum faszinieren diese Landschaftsbeschreibungen, obwohl man sonst gerne auf solche verzichten kann? Was bringt mich dazu, in der S-Bahn alles ausblenden zu können, während der ehemalige Harvard-Student Will Andrews mit einem seltsamen Trupp auf Büffeljagd geht? Es ist eben mehr als nur eine Geschichte, die in den 1870ern in Kansas und Colorado spielt. Der „Selbsterfahrungstrip“ des Protagonisten zeigt unaufdringlich, wie wir alle in eine so riesige wie kleine Welt geworfen werden und uns zwischen unseren Träumen entscheiden müssen, wie wir uns selbst ausgeliefert sind – und all dem, was um uns ist. John Williams hat eine sichere Hand, eindrücklich zu sein, ohne zu überzeichnen, es gibt Szenen, die unvergesslich brillant sind – und dann dieses Ende! Als man merkt, das ist gar keine Western-Abenteuer-Geschichte, das ist einfach etwas ganz Großes.

Konzert ohne DichterKlaus Modick

Konzert ohne DichterKlaus Modick

Mehr Ruhm war nie, mehr Zweifel aber wohl auch nicht – der Maler Heinrich Vogeler soll im Juni 1905 die Goldmedaille für sein Werk bekommen, gleichzeitig gibt es Risse in seiner Ehe, die Seelenverwandtschaft mit dem Dichter Rilke hat sich aufgelöst, vor allem aber hadert er mit sich selbst: War das wirklich das Beste, was er geben konnte? Von der einst so inspirierenden Künstler-Kolonie Worpswede, der „Familie“, ist nicht mehr viel übrig. Modick schildert im Rahmen von drei Tagen im Leben Vogelers, wie alles begann; und wie es endete. Im Mittelpunkt steht dabei die Freundschaft zwischen ihm und dem jungen Rilke (sowie dessen merkwürdiges, vielgestaltiges Liebesleben). Wunderbar: wie Modick über Malerei und künstlerisches Schaffen schreibt. Noch wunderbarer: wie er Rilke darstellt. Es könnte allerdings sein, dass einem das Buch um einiges besser gefällt, wenn man Worpswede kennt. Ansonsten ist der Roman selbst ein Bild, und zwar ein ebenso fein ausgearbeitetes wie vielschichtiges und eines, mit dem man sich gerne beschäftigt.

Missing. New YorkDon Winslow

Missing. New YorkDon Winslow

Gleich zu Beginn schon einmal die sehr gute Nachricht: Dieses Buch ist das erste einer Serie. Warum das eine sehr gute Nachricht ist? Weil der Ex-Cop Frank Decker, der seinen Job aufgegeben hat, um ein verschwundenes Mädchen zu suchen, eine klasse Figur ist. Er hat ein bisschen etwas von den so abgebrühten wie mit tief verborgenen Selbstzweifeln ringenden Old-school-Ermittlern, die man im Fernsehen gerne mal nachts in schwarz-weiß sieht. Besessen von der Sache, privat läuft es nicht so besonders und dass ab und zu das Kinn scheppert, nun ja, kann passieren. Spannend, atmosphärisch, klassische Zutaten in moderner Ausführung = guter Thriller. Fortsetzung soll sehr gerne sehr bald folgen!

Ein Kind GottesCormac McCarthy

Ein Kind GottesCormac McCarthy

Was für ein zynischer Titel. Und was für ein wahrer… Lester Ballard ist keiner, für den sich ein Herz erwärmen kann. „Verroht“, möchte man sagen. Eher ein ausgewildertes, unberechenbares Tier als ein Mensch? Oder eben doch eines der vielen Kinder Gottes? Zu Beginn der Erzählung steht es schlimm um Lester, dann wird es schlimmer, schließlich scheint er selbst den Boden des Abgrunds noch einmal zu durchstoßen. McCarthy erzählt davon jedoch in einer Nüchternheit, die dem Entsetzen eine ganz andere Note gibt. Gestützt vor allem durch den Kontrast, der mittels der phantastischen Beschreibung all dessen, was Nicht-Mensch ist, gesetzt wird. Nach 40 Jahren ist die Geschichte eines Ausgestoßenen und Verlierers auf Deutsch erschienen. Tief beeindruckend. Tief verstörend.

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