Der DistelfinkDonna Tartt

Der DistelfinkDonna Tartt

Es ist eines dieser Bücher, bei denen man denkt: Ach, ich lese noch zwei Seiten, dann muss ich aber wirklich… Und dann sind es doch wieder dreißig geworden oder siebzig. 850 Seiten lang verfolgt man die Geschichte von Theo Dekker, dessen Mutter in einem New Yorker Museum bei einer Explosion getötet wird. Der Junge war dabei – und sein Leben wird von diesem Ereignis für immer geprägt. Ein toller Roman, der sprachlich und inhaltlich begeistert. Theo ist stets kurz vor dem Absturz, und das nicht zuletzt weil er einen Wegbegleiter hat: ein Bild aus dem Museum. Sehr dicht, sehr faszinierend, und dass es dafür den Pulitzer-Preis gegeben hat, ist fast nur eine Randbemerkung wert. Gebunden, 24,99 €.

In Almas AugenDaniel Woodrell

In Almas AugenDaniel Woodrell

Wir kennen Woodrell als den Autor, der den Finger sehr beiläufig, unaufgeregt in die Wunde legt. Ob „Winters Knochen“ oder „Der Tod von Sweet Mister“, immer stöhnt man leise beim Lesen der wunderbar formulierten menschlichen Abgründe. Und von denen gibt es auch in dem Kaff in Missouri, das sich Woodrell dieses Mal vorgenommen hat, reichlich. Vierzig Jahre nachdem die Tanzhalle in Flammen aufgegangen ist, erzählt die von diesem Ereignis seelisch gezeichnete Alma DeGeer Dunahew, was damals geschah. Aus vielen Fäden entspinnt sich ein Stück, das buchstäblich brennt.Gebunden, 16,90 €

Das Wesen der Dinge und der LiebeElizabeth Gilbert

Das Wesen der Dinge und der LiebeElizabeth Gilbert

Ganz sicher einer der Romane des Jahres – die Geschichte der Alma Whittaker, die im 19. Jahrhundert ihr Leben den Pflanzen verschreibt und versucht, die Gesetze der Natur zu ergründen. Und dabei über eines stolpert: Wenn doch nur der Stärkste überlebt, warum handeln Menschen dann selbstlos? Sie kommt nicht auf die Antwort und veröffentlicht ihre Theorie daher nicht, der zeitgleich daran forschende Darwin lässt sie einfach außen vor und publiziert. „Das Wesen der Dinge und der Liebe“ erzählt von Almas Vater, der sich nach oben boxt und reich wird, von dem Mädchen, das nach Bildung giert und bald merkt, dass das für Frauen in dieser Zeit weniger als die halbe Miete ist, von einem Leben, das auf ungewöhnliche Weise erfüllt ist. Es führt um die Welt und beleuchtet die einsame Seele, es sind 700 Seiten, die einem eine ungewöhnliche Frau nahebringen. Ein Frauen-Roman? Ja, wahrscheinlich. Aber wen interessiert diese Kategorie, wenn das Buch so gut ist?Gebunden, 22,99 €

FDaniel Kehlmann

FDaniel Kehlmann

Man hat ein wenig den Eindruck, das zu Gute stößt die Leute ein wenig ab. Die Kritik an Kehlmanns neuem Buch scheint auf Teufel komm raus etwas zu suchen, über das sie meckern kann. Ist das Neid? Tatsächlich ist „F“ ein hervorragender Roman. Die Brüder Iwan, Eric und Martin sind Kunstfälscher, betrügerischer Finanzmensch und ungläubiger Priester. Der Vater ein ferner, spät berufener Schriftsteller. Beschrieben wird der 8. August 2008 aus den unterschiedlichen Perspektiven. Unglaublich gut und souverän geschrieben, mit leichter Hand, interessanten Gedanken und schlichtweg brillantem Handwerk. Kann sein, dass Perfektion manchmal ermüdend ist. Andererseits wäre die Alternative, nur so halbgute Bücher zu lesen. Dann lieber „F“. Gebunden, 22,95 €

Die Kunst des FeldspielsChad Harbach

Die Kunst des FeldspielsChad Harbach

Nein, man muss keine Ahnung von Baseball haben, um dieses Buch zu lieben. Auch wenn ein Baseball-Ausnahmetalent im Mittelpunkt steht. Der Roman dreht sich um 5 Personen, die sich am Westish-College vor allem mit einem herumschlagen: dem Leben. Ob nun besagter Henry, der nach einem Unfall anfängt nachzudenken und darüber sein Genie zu verlieren droht. Oder der College-Präsident, der plötzlich die Liebe entdeckt.Harbach hat ein phantastisches Buch geschrieben. Man könnte jetzt ein wenig über Intertextualität grübeln oder es dann doch einfach wie die FAZ zusammenfassen: „Ein großer Wurf“. Genau. Taschenbuch, 9,99 €

Jenseits der UntiefenFavel Parrett

Jenseits der UntiefenFavel Parrett

Die Besonderheit dieses Buches beginnt schon beim Cover. Sehen Sie das Seepferdchen? Zweimal hinschauen ist eine gute Maßnahme bei der Lektüre des Romans der in Tasmanien aufgewachsenen Favel Parrett. Es ist die Geschichte von drei Brüdern, die ihre Mutter verloren haben, und mit einem Vater zurecht kommen müssen, der auf erschreckende Weise unberechenbar und auf genauso erschreckende Weise berechenbar ist. Das alles vor dem Hintergrund der ebenfalls oft gnadenlosen tasmanischen See. Man merkt schon: Stoff jenseits von Popcorn. Doch der Kontrast von Unerbittlichkeit (der Natur, der Menschen, des Lebens) und der Geschwisterliebe sowie sich wortlos zeigenden Empfindsamkeit führt zu ganz unpathetisch vorgetragenen herzzerreißenden Szenen. Nichts für jeden, aber für manche sicher etwas ganz Beeindruckendes. Gebunden, 19,99 €.

Friedhof der UnschuldigenAndrew Miller

Friedhof der UnschuldigenAndrew Miller

Durch die Straßen von Paris weht bereits zart der Wind der bald losbrechenden Französischen Revolution. Etwas Anderes weht allerdings (ver)wesentlich heftiger: der Gestank des Friedhofs Les Innocents. Der zuständige Minister bestellt den jungen Ingenieur Jean-Baptiste Barrate ein (der darob durch ein sehr merkwürdiges Versailles stolpert) und beauftragt ihn, den Gottesacker samt Kirche abzutragen. Die unzähligen Gebeine müssen fachgerecht-religiös abtransportiert werden.

Aus dem jungen, sensiblen Mann, der wie ein unbeschriebenes Blatt ist und sich an Fakten und Vernunft, an sein Wissen hält, wird ein Mensch, der erkennt, wer er ist. Es zum Teil schmerz-haft erfährt, zum Teil aber auch einfach staunend erlebt. Die ganze Geschichte ist wunderbar zu lesen; Kritiker sehen darin eine beeindruckende Mischung aus Hilary Mantel und Patrick Süßkind. Völlig egal. Das Buch ist von Andrew Miller, und der kann stolz darauf sein. Gebunden, 21,90 €

Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichtsSusann Pásztor

Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichtsSusann Pásztor

Bei dem Titel zuckt man vielleicht erst einmal zurück. Zucken Sie nicht. Zwischen all der Lektüre über Invasionsbiologie und Aufarbeitungen der Geschichte des georgischen Großonkels kann man auch einmal ein Buch lesen, dessen Cover einen nicht als Intellektueller 3.0 ausweist. Denn schau an: flach ist das Buch nicht. Ja, man möchte wetten, jeder Leser wird hinterher an mindestens einem Gedanken zu kauen haben… Darum geht es: Milas Leben läuft nicht so ganz in der Spur. Ihre Therapeutin verordnet ihr ein Schweigeseminar. Und nach 3 Tagen Schweigen nimmt sie Simon ein Stück im Auto mit, er sie dann drei Tage in sein Hotelzimmer. Das soll es dann gewesen sein. Leben, Liebe, Loslassen, die (ebenfalls 3) verflixten Ls. Gut erzählt, so romantisch wie es sein muss, so ironisch wie es sein darf. Sehr ausbalanciert. Und dann zurück zur Invasionsbiologie. Taschenbuch, 8,99 €.

Auflaufend WasserA. Dehe, A. Engstler

Auflaufend WasserA. Dehe, A. Engstler

Sonntag, 23 Dezember 1866. Tjark Evers, Steuermann in Ausbildung, reist spontan zu seiner Familie auf seine Heimatinsel Baltrum. Pottendicker Nebel herrscht, als die Ruderer ihn an der Küste rauslassen. An der Küste? Tjark landet auf einer Sandbank. Bei auflaufend Wasser. Er hat keine Chance. Aber etwas mehr als eine Stunde, um sich mit seinem Schicksal abzufinden. Sich zu erinnern, sich Gedanken zu machen. Während das eiskalte Wasser steigt… Diese Novelle, nur 113 Seiten, liest man in einem Zug. Was für ein ergreifender, einfacher und gleichzeitig umfassender Text. Muss man Norddeutscher sein, muss man dem Meer verbunden sein? Vielleicht intensiviert es das Lesen. Aber wirklich entziehen kann sich wohl kaum jemand diesem großartigen, schmalen Buch, das die vielleicht wahre Geschichte von Tjark Evers erzählt. Gebunden, 16,- €

Wie keiner sonstJonas T. Bengtsson

Wie keiner sonstJonas T. Bengtsson

Ständig müssen sie umziehen, denn Gefahr droht. Zur Schule geht er nicht, und Freundschaften kann er nicht schließen. Doch der Junge vermisst nichts, denn er hat ja seinen Vater. Den bewundert er und dieser ist ihm Freund und Lehrmeister zugleich. Sein Vater, ein Nonkonformist, der außerhalb der Gesellschaft lebt, klärt ihn über die wahren Dinge des Lebens auf und erfüllt seine Wünsche. Es könnte immer so weiter gehen, doch dann passiert etwas, das die Welt aus den Fugen geraten lässt.Viele Jahre später: Der Junge ist längst erwachsen und führt sein eigenes Leben. Doch die Kindheitserfahrung wirft überdeutlich ihre Schatten in die Gegenwart. Der junge Mann kann nicht anders – er muss eine schwerwiegende Entscheidung treffen.Umwerfend erzählter Roman des dänischen Autoren Bengtsson. Gebunden, 22,90 €

Diese Dinge geschehen nicht einfach soTaiye Selasi

Diese Dinge geschehen nicht einfach soTaiye Selasi

Schwer zu sagen, was für den Zauber dieses Buches verantwortlich ist – die latente Exotik, die prägnanten Charaktere, diese ungeheuere Stilsicherheit? Denn so viel passiert eigentlich nicht – ein Mann stirbt und die Familie kommt zu seinem Begräbnis. Und während das also passiert, werden die Leben von sechs und ein paar Menschen mehr erzählt. Eigentlich passiert also doch viel. Wobei das Innere mindestens so wichtig ist wie das Äußere. Selasi legt ihre Figuren behutsam unter ein Mikroskop. Und erzählt damit eine Welt. Deren Anfänge und Enden Boston, New York und Ghana sind. Das gestrauchelte Chirurgen-Genie Kweku, seine Frau Fola, die Kinder Olu, Taiwo, Kehinde und Sadie. Die Wurzeln und die Einflüsse. Eine Familiengeschichte? Die Geschichte glanzvollen Scheiterns? Buddenbrooks auf afroamerikanisch? Lesen. Am besten am Stück, denn dann kann sich der sprachliche Rhythmus von Selasi wunderbar entfalten. Und ein Hinweis noch: Das Cover ist ziemlich furchtbar, der Inhalt macht das nach einer Seite bereits vergessen. Gebunden, 21,99 €.

Der TrafikantRobert Seethaler

Der TrafikantRobert Seethaler

Ein kleines, feines Buch mit Nachhall. Dank einer Geschichte, die auf sehr berührende Weise zart und melancholisch ist, moralisch und menschlich, politisch und persönlich. Der 17-jährige Franz Huchel kommt 1937 nach Wien. Der Junge aus dem Salzkammergut soll eine Ausbildung als Trafikant machen. Bisher verkauft hier der kriegsversehrte Otto Trsnjek Zeitungen und Zigarren. Unter anderem an Sigmund Freud. Dieser kommt mit Franz ins Gespräch, es entsteht eine feine Bindung zwischen dem alten Gelehrten und dem Jungen, der so viele Fragen hat. Als sich Franz in die Tänzerin Anezka verliebt, rätseln die beiden Männer über das Mysterium Frau… Und zeitgleich naht der Anschluss Österreichs. Beeindruckende Geschichte, wunderbar geschrieben. Gebunden, 19,90 €

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