Alles Licht, das wir nicht sehenAnthony Doerr

Alles Licht, das wir nicht sehenAnthony Doerr

In 3 bis 30 Worten – worum geht’s?
Das Leben eines blinden französischen Mädchens und eines von Technik faszinierten deutschen Jungen während des 2. Weltkriegs. Eine Mischung aus Entwicklungsroman, Krimi und spannendem Kriegsbericht.

Heiter oder wolkig?
Beides

Spannend?
Sehr

Große Gefühle?
Ja, sofern man diese nicht nur in der großen Liebe sucht

Hinterher ist man klüger?
Ja, sowohl hinsichtlich der Zeit, speziell der deutschen Besatzung in der Bretagne, als auch hinsichtlich Radio- und Nachrichtentechnik und des Phänomens der Blindheit

Wie schreibt der denn so?
Sehr schön, zudem ist die Übersetzung hervorragend

Sätze/Szenen/Bilder, die man nicht vergisst?
Sehr viele – die Waisenkinder mit dem zusammengebastelten Empfänger, das geschnitzte Modell des Pariser Arrondissements, Szenen in der Napoli, während des Nachrichtendienstes im Feld, Saint Malo im völligen Ausnahmezustand und so weiter

Was noch gesagt werden sollte:
Ein weiteres dickes Buch über den 2. Weltkrieg – man will es wirklich nicht. Hat man sich dann doch darauf eingelassen, belohnt es in jeder Hinsicht. Dieser Roman ist 2014 auf Deutsch erschienen, gerade hat Anthony Doerr dafür den Pulitzer-Preis bekommen; aus diesem Anlass sei noch einmal darauf hingewiesen.

Wen interessiert’s?
Vom interessierten Oberstufenschüler bis ins „hohe“ Alter: jeden

Eine Empfehlung von: Beate

 

 

Butcher’s CrossingJohn Williams

Butcher’s CrossingJohn Williams

Warum lese ich eigentlich diese Western-Abenteuer-Geschichte, fragt man sich zwischendurch. Warum faszinieren diese Landschaftsbeschreibungen, obwohl man sonst gerne auf solche verzichten kann? Was bringt mich dazu, in der S-Bahn alles ausblenden zu können, während der ehemalige Harvard-Student Will Andrews mit einem seltsamen Trupp auf Büffeljagd geht? Es ist eben mehr als nur eine Geschichte, die in den 1870ern in Kansas und Colorado spielt. Der „Selbsterfahrungstrip“ des Protagonisten zeigt unaufdringlich, wie wir alle in eine so riesige wie kleine Welt geworfen werden und uns zwischen unseren Träumen entscheiden müssen, wie wir uns selbst ausgeliefert sind – und all dem, was um uns ist. John Williams hat eine sichere Hand, eindrücklich zu sein, ohne zu überzeichnen, es gibt Szenen, die unvergesslich brillant sind – und dann dieses Ende! Als man merkt, das ist gar keine Western-Abenteuer-Geschichte, das ist einfach etwas ganz Großes.

Konzert ohne DichterKlaus Modick

Konzert ohne DichterKlaus Modick

Mehr Ruhm war nie, mehr Zweifel aber wohl auch nicht – der Maler Heinrich Vogeler soll im Juni 1905 die Goldmedaille für sein Werk bekommen, gleichzeitig gibt es Risse in seiner Ehe, die Seelenverwandtschaft mit dem Dichter Rilke hat sich aufgelöst, vor allem aber hadert er mit sich selbst: War das wirklich das Beste, was er geben konnte? Von der einst so inspirierenden Künstler-Kolonie Worpswede, der „Familie“, ist nicht mehr viel übrig. Modick schildert im Rahmen von drei Tagen im Leben Vogelers, wie alles begann; und wie es endete. Im Mittelpunkt steht dabei die Freundschaft zwischen ihm und dem jungen Rilke (sowie dessen merkwürdiges, vielgestaltiges Liebesleben). Wunderbar: wie Modick über Malerei und künstlerisches Schaffen schreibt. Noch wunderbarer: wie er Rilke darstellt. Es könnte allerdings sein, dass einem das Buch um einiges besser gefällt, wenn man Worpswede kennt. Ansonsten ist der Roman selbst ein Bild, und zwar ein ebenso fein ausgearbeitetes wie vielschichtiges und eines, mit dem man sich gerne beschäftigt.

Land der GewohnheitTed Thompson

Land der GewohnheitTed Thompson

Die Überlegung von Anders ist nicht so ganz neu: Man geht frühzeitig in den Ruhestand, trennt sich von der Frau und sowieso wird alles nicht nur anders, sondern besser, richtiger werden. Doch, man kennt es aus mündlichen und schriftlichen Erzählungen, was folgt ist: Pustekuchen. Dabei hatte alles so verheißungsvoll angefangen, als man noch jung und unbeugsam war. Thompson erzählt von Anders, wie er wurde, was er ist, und warum dessen Leben jetzt ins Schlingern kommt. Und er erzählt von der Generation der Söhne – die es besser wissen sollte, aber anscheinend gibt es Fehler, die man eben einfach machen muss. Mit Glück geht es gut aus, aber immer wieder auch ganz und gar nicht.
Vergleiche mit Updike liegen auf der Hand. Alles relativ unspektakulär, aber doch originell erzählt. Eine Kritik, in der man auch mehr zum Inhalt erfährt, gab es in der „Zeit“: http://url9.de/W62

Der CircleDave Eggers

Der CircleDave Eggers

Über kaum ein Buch wurde so viel berichtet wie über dieses. Nicht unbedingt, weil es so brillant geschrieben oder die Charaktere so ausgefeilt angelegt worden wären, wahrlich nicht. Sondern weil es ein Roman ist, der sich erschreckend nahe an der (kurzfristigen) Realität bewegt. Darum geht es: Der „Circle“ ist ein sehr cooles Internetunternehmen, Traumarbeitgeber für alle, die Apple, Google, Twitter, Facebook etc. lieben. Mae hat dort einen Job ergattert. Und was folgt, ist das, was sich tatsächlich abzeichnet – nicht (nur) der Staat überwacht seine Bürger, das machen diese in ihren Unternehmen schon ganz allein… Das Reizvolle: Man guckt danach ein bisschen kritischer auf die tolle App, die man sich gerade heruntergeladen hat. Und fragt sich, wie transparent man wirklich sein will oder ob es wirklich notwendig ist, dass irgendjemand da draußen mitkriegt, dass man seine 10.000 Schritte täglich mal wieder (knapp!) nicht geschafft hat…

Der erste SohnPhilipp Meyer

Der erste SohnPhilipp Meyer

Eli kommt an dem Tag auf die Welt, an dem der Staat Texas gegründet wird. Von dem Leben dieses „ersten Sohnes“ erzählt Philipp Meyer in einem von drei Handlungssträngen seines Generationen-Epos. Eli wird als Junge von Indianern verschleppt, lebt unter ihnen – und als er nach Jahren in die „weiße“ Gesellschaft zurückkehrt, bleibt ein Teil von ihm bei denen, die ihn geprägt haben. Doch Eli macht seinen Weg, wird Begründer einer der sagenhaften texanischen Öl-Dynastien. Einer seiner Nachkommen ist Robert, von ganz anderem Schlage als Eli. Grüblerisch und zweifelnd, wird er mit den Auseinandersetzungen von Mexikanern und Texanern konfrontiert und tut sich so unendlich schwer, sein eigenes Leben zu finden. Schließlich lesen wir von Jeanne Anne, die 2012 bereits eine alte Frau ist und ihr Leben der Aufgabe gewidmet hat, das Imperium ihres Urgroßvaters Eli McCullough zu bewahren. Das alles wird großartig erzählt; besonders sind dabei sicherlich die Szenen rund um den Komantschenstamm, durchaus drastisch, aber faszinierend, präzise und eindrücklich. Insgesamt ein fesselndes, verstörendes und erhellendes Buch. All die Preise für und Lobreden auf Meyer: zurecht.

KrusoLutz Seiler

KrusoLutz Seiler

Ein anmutiger historischer Roman, der durch seine ausgewählte Sprache und die lebensnahe Handlung verzückt. Der Lyriker Lutz Seiler interpretiert Literatur als eine Kunstform und so besticht nicht nur der ungemein schön klingende Ton, auch der Text an sich ist reichhaltig an literarischen Anspielungen und Analogien. Ein zentrales Thema ist dabei die Frage nach einer möglichen (inneren) Freiheit in Zeiten politischer Unfreiheit, als auch die Debatte inwieweit durch Literatur überhaupt Widerstand geleistet werden kann. In diesen Diskurs flicht Seiler die sensibel geschilderte – 1989 auf Hiddensse einsetzende – Freundschaft der zwei Protagonisten Edgar Bendler und Alexander Krusowitsch ein.

Ob als Hörbuch von Fanz Dinda gelesen, oder in gebundener Form, es bleibt ein Genuss sich dem hinzugeben.

Eine Rezension von: Max

Von Männern, die keine Frauen habenHaruki Murakami

Von Männern, die keine Frauen habenHaruki Murakami

Der japanische Autor Murakami präsentiert uns in seinem neuen Werk sieben Kurzgeschichten von Männern, die keine Frauen haben. Diese sind vom Autor rührend und stets voller Respekt für seine Figuren erzählt. Obwohl Murakamis narrative Mittel meine Anteilnahme an den beschriebenen Schicksalen hervorrufen, bleiben diese frei von Wehleidigkeit oder Sentimentalität. Er erweist sich einmal mehr als großer Menschenkenner, der präzise die aus der Beziehung von Mann und Frau resultierenden seelischen Dynamiken skizziert. Alltagsphilosophische Betrachtungen des Autors, sind von einer feinen Poesie ummantelt, was den Texten eine reinigende Musikalität verleiht. Für Fans ein Muss, für Einsteiger sieben anregende Erzählungen, die trotz ihrer Unaufdringlichkeit eine hohe Intensität entfalten und die Lust auf mehr Bücher des japanischen Ausnahmeautor wecken.

Eine Rezension von: Max

Goat MountainDavid Vann

Goat MountainDavid Vann

Ein hochgradig atmosphärisches, zu Teilen sehr abgründiges Buch, das alles andere als harmlos daher kommt…

Ein gemeinsamer Jagdausflug in die Wildnis Nordkaliforniens wird für den Vater des 11-jährigen, namenlosen Protagonisten zur inneren Zerreissprobe, als dieser ohne zu zögern einen Wilderer erschießt und dabei keinerlei Reue verspürt. Was tun mit diesem Kind, das sich keinerlei Schuld bewusst ist? Bestrafen? Aber wie? Ist der Akt des Tötens tatsächlich untrennbar mit dem Menschsein, dem Leben verbunden?

Vanns neuer Roman ist eine Parabel über Gewalt, die als abenteuerlicher Familientrip beginnt und sich im Dickicht der rauen Landschaft zu einem fesselnden Psychothriller zuspitzt.

Eine Rezension von: Max

Das Geräusch der Dinge beim FallenJuan Gabriel Vásquez

Das Geräusch der Dinge beim FallenJuan Gabriel Vásquez

Antonio Yamaha überlebt die Hinrichtung seines flüchtigen Bekannten Ricardo Laverde auf offener Straße. Er weiß nur wenig über das Opfer, das er gelegentlich beim Billard traf. Für Antonio bleibt Laverde unbegreiflich – er beginnt, sich obsessiv mit dem Toten zu beschäftigen. Dabei wendet er sich vollkommen von seiner jungen Familie und seinem Beruf als Jura-Professor ab. Zwanghaft sucht er die Leerstellen in Laverdes Leben: wie der damals junge, begnadete Flieger die Liebe von Elaine gewinnt, wie sie zusammen Ende der 60-er Jahre dem Glück nachjagen, zu einer Zeit, als die Drogen beginnen, den Alltag in Kolumbien zu bestimmen. Wir lesen im Sog von langsamen Sätzen, die in Zeitlupe die schicksalhaften Augenblicke dieser Geschichte voller Schönheit und Schrecken enthüllen. Ein purer Lesegenuss.

Eine Rezension von: Catherine

Das VersteckDavid Finck

Das VersteckDavid Finck

Dass es sich bei diesem Buch um den Debütroman des Autors handelt, ist der Geschichte kaum anzumerken. Die novellenartige Handlung bannt bis zur letzten Seite, da hier ein Rätsel entworfen wird, dessen Aufschlüsselung man sich nicht entziehen kann. Der Erzählton ist zeitgenössisch straff und der Autor beherrscht es, zwischen komischen und tragischen Momenten hin und her zu wechseln. Die Figurenzeichnung ist glaubwürdig, wenn auch nicht immer, in letzter Konsequenz, nachvollziehbar. Ähnlich verhält es sich mit den philosophischen Fragestellungen, deren Beantwortung mitunter durch den Leser stattzufinden hat. Mir hat es jedoch gefallen, nicht übermäßig an die Hand genommen zu werden, da nie der Eindruck entsteht, dass das Gelesene belanglos ist.

Eine Rezension von: Max

Das BlutbuchenfestMartin Mosebach

Das BlutbuchenfestMartin Mosebach

Jede Seite in diesem Buch ist so reichhaltig, jeder Satz so wohlgeformt, jede Silbe so unnachahmlich gewählt! Martin Mosebach beherrscht spielend die deutsche Grammatik und geht damit so virtuos um wie ein Thomas Mann. Dass in diesem poetischen Werk deutscher Literatur auch eine ergreifende Geschichte, mit grandios porträtierten Figuren erzählt wird, zeigt umso mehr, welch ein Geniestreich dem Autor hier gelungen ist. Dieses Meisterstück muss man gelesen haben!

Eine Rezension von: Max

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