Leila Slimani: Dann schlaf auch du

Leila Slimani: Dann schlaf auch du

Das Grauen beginnt auf der ersten Seite. Und da bleibt es dann auch. Was folgt, ist eine so unaufgeregt wie beklemmend erzählte Geschichte von Fassade und dahinter Brodelndem, vom Streben nach Glück und von dem Sumpf der Enttäuschung, von Schicksalen. (mehr …)

Sven Regener: Wiener Straße

Sven Regener: Wiener Straße

Da sind sie also wieder, die alten Haudegen des Café Einfall-Kosmos: Frank Lehmann, noch ein Berliner Frischling, die Künstler Karl Schmidt und H.R. Ledigt, Chrissie, Erwin Kächele natürlich und wie sie sonst noch alle heißen. Irgendwie hat das was Schönes, dass Sven Regener immer noch eine Geschichte zu erzählen weiß. In „Wiener Straße“ sind wir ganz am Anfang der 80er Jahre und haben Kreuzberg pur: total verlabert, ziemlich verstrahlt, schon ambitioniert, aber eben auf so eine verpeilte Art. (mehr …)

Colum McCann: Wie spät ist es dort, wo du bist?

Colum McCann: Wie spät ist es dort, wo du bist?

Es ist ja immer so eine Sache mit den Erzählbänden. So richtig Lust hat man nicht dazu, aber wenn das Buch schon einmal da herumliegt? Dann liest man und denkt: „Erzählungen? Sollte ich öfter lesen!“ Sollte ich wirklich. (mehr …)

J.L. Carr: Wie die Steeple Cindery Wanderers den Pokal holten

J.L. Carr: Wie die Steeple Cindery Wanderers den Pokal holten

Ein kleines Kaff irgendwo. Ein paar Männer (und Frauen) wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten. Und dann eine Idee: Wir gucken uns jetzt dieses „Fußball“ mal ganz genau an und schauen, was denn die erfolgreichen Mannschaften wirklich von den Losern unterscheidet. Das setzen wir dann um und, genau, holen den Pokal. (mehr …)

Jonathan Safran Foer: Hier bin ich

Jonathan Safran Foer: Hier bin ich

Der blödeste Vorwurf, den die Kritiker dem neuen Roman von Foer machen: Die Dialoge sind zu unglaubwürdig, zu gezirkelt. Natürlich sind sie das! Zum Glück sind sie das! Oder will jemand das langweilige Tchibo-Gelaber lesen, das uns den ganzen Tag in die Ohren geflutet wird (und das wir selbst absondern)? Darum greifen wir doch zu Büchern! Und weil Foer clever schreiben kann, macht er es eben auch. Richtig so. Aber so ist es dann wohl, wenn man zu erfolgreich, zu gut, die Biografie scheinbar zu glatt oder zu glamourös oder schlicht zu beneidenswert ist – die „Ich weiß es aber immer besser und ehrlich gesagt bin es auch, ich habe nur keine Zeit dazu“-Seele der Kritiker jault. (Im anderen Fall hätten sie natürlich geschrieben, das wäre alles zu flach, zu normal, da könne man sich ja auch mit dem Hausmeister unterhalten). (mehr …)

Bella GermaniaDaniel Speck

Bella GermaniaDaniel Speck

Die Modedesignerin Julia bekommt überraschend Besuch von ihrem italienischen Großvater und begibt sich auf eine Reise in die familiäre Vergangenheit, deren Spuren bis in die Gegenwart reichen. Beschrieben wird eine überwältigende deutsch-italienische Lebensgeschichte, die aktueller den je scheint. Denn neben den unterschiedlichen Lebensverläufen der Familienmitglieder, steht deren Heimatlosigkeit, als immer wieder treibende und ausschlaggebende Kraft, im Focus der Erzählungen, die zu der Zeit spielen, in der Deutschland italienische Gastarbeiter ins Land holte.
Das besondere an diesem Buch ist aber die Liebe, die all diese sich doch eher fremd gewordenen Familienmitglieder verbindet.
Trotz großer Entfernungen und unterschiedlicher Generationen ähneln sich die Wünsche und Ziele, die sie durchs Leben lenken.
Dieses Buch verdient es gelesen zu werden. Die Protagonisten rücken einem ans Herz und bleiben dort, auch nach der letzten Seite. Daniel Specks Debütroman ist eine Suche nach den Wurzeln. Eine Liebesgeschichte. Ein historischer Roman. Und ein Buch, das sich von Seite zu Seite mit mehr Leben füllt.

Eine Empfehlung von: Antje Stock

Löwen weckenAyelet Gundar-Goshen

Löwen weckenAyelet Gundar-Goshen

Bitte nicht vom Thema abschrecken lassen, weil es einem so bekannt vorkommt. Denn ja, die Konstellation kennt man, aber auch ja: So hat man das noch nicht gelesen.

Es ist ein Versehen, als der Neurochirurg Etan nachts einen Mann überfährt. Er begeht Fahrerflucht, verliert aber sein Portemonnaie am Tatort. Und dann steht plötzlich die Frau des Opfers, eines illegalen Einwanderers, vor seiner Tür. Die Erpressung: Er soll anderen Flüchtlingen aus Eritrea medizinische Hilfe zugute kommen lassen. Jede Nacht, in einem improvisierten Krankenlager. Die Alternative wäre, Job und Familie zu verlieren… Die Aktualität erhält die Geschichte sicherlich aus der Flüchtlingsthematik. Doch noch faszinierender ist, wie Gundar-Goshen (Autorin und Psychologin, lebt in Tel Aviv) ihren Figuren – ob nun Etan oder seiner Frau, der Polizistin Liat, oder Sirkit, der Frau des Opfers – in die Seele schaut und das, was sie da findet, in Sprache kleidet. Außergewöhnlich!

kd

Ein Brautkleid aus WarschauLot Vekemans

Ein Brautkleid aus WarschauLot Vekemans

Ein stilles, beeindruckendes Buch, das einem im Herzen bleibt.
Marlena, 20 Jahre alt, lebt in Polen mitten auf dem Land und ahnt noch nicht, was das Leben alles für sie bereithält.
Eine Begegnung in einem Warschauer Cafe verändert ihr Leben entscheidend. Sie verliebt sich in Nathan, der bei einem entfernten Verwandten in einem Hotel wohnt, da er seiner Familiengeschichte auf den Grund gehen möchte. Die Beiden verbringen eine intensive Zeit miteinander, ohne dass Marlenas Mutter etwas davon ahnt.
Als Nathan dann unerwartet zurück nach Amerika muss, ohne zu wissen, dass Marlena von ihm schwanger ist, wird ihr Leben auf den Kopf gestellt.
Der Autorin gelingt es Marlenas Zwiespälte zu beschreiben, ihre Suche nach dem richtigen Weg, bestimmt von ungünstigen Zufällen und Verknüpfungen. Sie schildert die Ereignisse aus unterschiedlichen Blickwinkeln und nimmt uns mit auf eine Lebensreise, die geprägt ist von den stets unberechenbaren Auswirkungen immer neu getroffener Entscheidungen. Die Entbehrungen, die Teil des Lebens sind, werden einfühlsam und packend beschrieben. Als Leser wünscht man der Hauptperson immer wieder, dass sie nochmal neu entscheiden könnte, wie sie ihr Leben verbringen möchte. Doch so ist das Leben nicht und im Verlauf des Buches beginnt man auch als Leser zu akzeptieren, dass es keine andere Wahl gibt, als stets voranzuschreiten und mit den etwaigen Konsequenzen zu leben.
Lot Vekemans ist eigentlich bekannt geworden durch das Schreiben von preisgekrönten Theaterstücken. Ein Brautkleid aus Warschau ist ihr erster Roman, der ihr meiner Ansicht nach sehr gelungen ist.
Sehr lesenswert!

Eine Empfehlung von: Antje Stock

Von Geist und GeisternHilary Mantel

Von Geist und GeisternHilary Mantel

In 3 bis 30 Worten: worum geht’s?
Hilary Mantel erzählt ihre Lebensgeschichte im England der 60er und 70er Jahre. Sie zeichnet in eindrucksvollen Szenen, wie sie ihr Selbstgefühl gewinnt – trotz ihrer verunsichernden Familienkonstellation, des ignoranten und repressiven Schulsystems und einer sehr belastenden Krankheitsgeschichte in jungen Jahren. Klug, selbstbewusst, humorvoll.

Heiter oder wolkig?
Sowohl als auch

Spannend?
Brauchte keinen Plot, um mich zu fesseln

Große Gefühle?
Ja

Hinterher ist man klüger?
Ja, ohne Wissensballast

Wie schreibt die denn so?
Kraftvoll, differenziert, eindringlich

Sätzen/Szenen/Bilder, die man nicht vergisst?
Silvesterabend im 10-Bett-Zimmer der Gynäkologie, als die jungen, sehr kranken Frauen sich gegenseitig schminken und der diensthabende Arzt ruft „Oh ihr Mädchen! Was seid ihr denn für welche?“.

Was noch gesagt werden sollte:
Diese Autobiografie hat mich an Sartre „Die Wörter“ und Leiris „Mannesalter“ erinnert; um zwei großartige Beispiele zu erwähnen

Wen interessiert’s?
Neugierige Menschen (Frauen?) und alle, die die Autorin Hilary Mantel schätzen.

5 Sterne, ohne Wenn und Aber

 Eine Empfehlung von: Catherine

Im Frühling sterbenRalf Rothmann

Im Frühling sterbenRalf Rothmann

In 3 bis 30 Worten: worum geht’s?
Der Vater des Autors erlebt seine letzten Tage im Krankenhaus. Er „hört“ immer wieder den Krieg und ist kaum zu beruhigen. Rothmann erzählt seine Geschichte: Walter, damals 18-jährig, und mit ihm zusammen sein Freund Fiete – ein Gymnasiast, der ebenfalls als Melker seinen Arbeitsdienst tut – müssen sich im Frühjahr 45 „freiwillig“ bei der SS melden und werden in Ungarn eingesetzt. Wie sich am Kriegsschauplatz die Wege der beiden Freunde wieder kreuzen und warum Walter seinen Kindern nie etwas vom Krieg erzählt hat, wissen und verstehen wir nach diesem Buch.

Heiter oder wolkig?
Ganz und gar wolkig

Spannend?
Fesselnd, weil eine Bedrohung immer spürbar ist

Große Gefühle?
Ja

Hinterher ist man klüger?
Ja, weil man Verständnis für die Väter entwickelt, die nicht geredet haben

Wie schreibt der denn so?
Unmittelbar und realistisch, mit sehr konkretem Wortschatz

Sätzen/Szenen/Bilder, die man nicht vergisst?
Die Exekution der drei Zivilisten bei einer Mühle in Ungarn. Die Erschießung des Freundes wegen Desertion.

Was noch gesagt werden sollte:
Es ist wieder ein Kriegsbuch, aber auch 70 Jahre später ist alles unglaublich eindringlich und gegenwärtig

Wen interessiert’s?
Die Kriegskinder oder Kriegsenkel, die das Gewicht dieser Zeit noch fühlen

5 von 5 Sternen

 Eine Empfehlung von: Catherine

Die gleißende WeltSiri Hustvedt

Die gleißende WeltSiri Hustvedt

In 3 bis 30 Worten: worum geht’s?
Das Portrait einer New Yorker Künstlerin, die die von ihr erwartete / erhoffte / ihr zustehende Anerkennung nicht erfährt und davon überzeugt ist, dass es in ihrem Frau-, nicht-Mann-sein begründet liegt. Sie erfindet ihre Kunst in drei ganz unterschiedlichen, männlichen, jungen Künstlern neu und hat den erwarteten Erfolg.

Heiter oder wolkig?
Beides – in herrlichem Übermaß

Spannend?
Im Sinne von „mehr wissen wollen“: unbedingt. Krimi: nein.

Große Gefühle?
Ja, in jeder Hinsicht

Hinterher ist man klüger?
Wenn man gelernt hat, wie wichtig die differenzierte Sicht auf die Dinge ist… Nicht zu vergessen: das Studium der Untertitel!

Wie schreibt die denn so?
Meisterhaft. Das Personal des Buches ist sehr vielschichtig und betrachtet die Protagonistin dementsprechend vielstimmig. Das ist brillant geschrieben.

Sätzen/Szenen/Bilder, die man nicht vergisst?
Zu viele, als dass sie aufzuzählen wären. Zum Beispiel die Kunst von Harriet Burden; sie wird so plastisch geschildert, dass es fast ärgerlich ist, sie nicht per Mausklick finden zu können – schönste Fiktion!

Was noch gesagt werden sollte:
Für mich das beste Buch von Siri Hustvedt

 Eine Empfehlung von: Beate

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