Auswärtsspiel. Heute: Buchhandlung Anna Jeller, Wien

Am Nachmittag wird sich ein Tornado über Wien austoben, aber noch ist es warm und sonnig. Sehr warm und sehr sonnig. Perfekt, um januarnachtkaltes Eis zu essen – oder in eine wunderbare Buchhandlung zu gehen.

Die Buchhandlung Anna Jeller ist, und das ist das maximale Kompliment, eine richtige Buchhandlung. Eine richtige, schöne, so wie man sie sehen, besuchen, vielleicht sogar haben will. Und das auch noch in einer Gegend, wo man denkt: Ach, lasst mich doch endlich mit Berlin zufrieden, Wien ist es! Die Margaretenstraße im 4. Bezirk beherbergt ein interessantes Geschäft neben dem anderen, da passt die Buchhandlung, an der Ecke zur Freundgasse, perfekt rein. Wobei sie wahrscheinlich als Erste da war, denn Anna Jeller verkauft dort schon seit 1985 Literatur.

Macht man etwas zum 2. Mal, ist es ja schon fast Tradition, also stellen wir auch hier, an diesem Julitag 2017 die traditionelle Frage nach dem derzeitigen Lieblingsbuch. Es ist: Christoph Hein – Trutz.

Der junge Schriftsteller Rainer Trutz muss 1933 mit seiner Frau nach Moskau fliehen – eine Alternative gibt es nicht. Es folgen die Jahre der politischen Säuberungen. Davon betroffen ist auch die Familie Gejm. Walter Gejm hat sich ganz der Mnemotechnik verschrieben, der Lehre von Ursprung und Technik des Erinnerns. Erinnern, die richtige Erinnerung, ist die Folge richtigen Beobachtens, Deutens und Einordnens. Es ist auch schlichtweg das, was man behält, während anderes verschwindet. Womit wohl die hinter dem Roman liegenden Themen benannt sind. Christoph Hein erzählt die Geschichten beider Familien und dazu von den Verwüstungen, die totalitäre Regime anrichten. Anna Jeller hat das Buch an einem langen Wochenende durchgelesen, obwohl sie eigentlich gar nicht wollte, aber wie das so ist, manchmal haben Bücher diese verflixte magnetische Wirkung.

Frau Jeller ist der Inbegriff einer klugen, umsichtigen Buchhändlerin, es dauert also keine dreißig Sekunden, bis sie auf andere Titel verweist, die ebenfalls empfehlenswert sind, aber der Hein war nun einmal der erste, den sie genannt hat.

Das Buch ist, finde ich, ein wenig Geschmackssache. Eindeutig, nicht zu diskutieren hingegen: Wer in Wien ist und eine fabelhafte Buchhandlung besuchen will oder gar ein Buch braucht, weil gleich ein Tornado losbrechen wird und man dann in vier Wänden und auf einem Sofa gefangen ist: Buchhandlung Anna Jeller, Margaretenstraße 35, 1040 Wien!

kd

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