Leila Slimani: Dann schlaf auch du

Das Grauen beginnt auf der ersten Seite. Und da bleibt es dann auch. Was folgt, ist eine so unaufgeregt wie beklemmend erzählte Geschichte von Fassade und dahinter Brodelndem, vom Streben nach Glück und von dem Sumpf der Enttäuschung, von Schicksalen.

Ein junges Ehepaar sucht eine Nanny. Myriam will nach der Geburt der beiden Kinder wieder als Rechtsanwältin arbeiten, Paul ist mit seiner Musikkarriere beschäftigt. Sie finden Louise, die Perle, die bald unverzichtbar wird, die sich bald unverzichtbar macht. Doch wie es das vorangestellte Zitat von Rudyard Kipling sagt „… Ihr kam nie in den Sinn, dass Miss Vezzis ein eigenes Leben und eigene Angelegenheiten hatte…“. In der Tat, Louise hat ein eigenes Leben hinter sich, quält sich mit ihrem jetzigen, dem jenseits der schönen Pariser Altbauwohnung mit den beiden sie liebenden Kindern, und ihre Perspektiven sind ebenfalls nicht schön. Je mehr sie sich jedoch an die Familie hängt, desto größer wird die Distanz des erfolgreichen Paares zu der Frau, die für sie arbeitet. Und aus der Distanz wird allmählich Abneigung.
Dieser Roman ist auf der einen Seite spannend, auf der anderen ein Porträt einer Klassengesellschaft, auf der dritten eine psychologische Studie der einzelnen Personen und auf der vierten einfach gut geschrieben. Sicherlich wird es Menschen geben, die sagen, sie möchten sich nicht mit so einer grauenhaften Handlung konfrontieren – ihnen entgeht dadurch aber eines der wenigen Bücher 2017, an die man sich sehr, sehr lange erinnern wird.

kd

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Spezialitäten: Krimis, aktuelle Belletristik.

Derzeitige Lieblingsbücher: „Willnot“ von James Sallis und sowieso immer „Wölfe“ von Hilary Mantel.