Romane für diesen Herbst
Julia Strachey: Heiteres Wetter zur Hochzeit
Heiteres Wetter zur Hochzeit erschien erstmals 1932 in der Hogarth Press bei Leonard und Virginia Woolf. Der kleine bitterböse britische Roman ist auch heute ebenso erheiternd und scharfsinnig wie vor siebzig Jahren: An ihrem Hochzeitstag wird einer jungen Braut bewusst, dass sie dabei ist, einen schwerwiegenden Fehler zu begehen. Ein frischer Märztag an der Küste von Dorset. Dolly ist im Begriff, den Ehrenwerten Owen Bingham zu heiraten. Die Begegnung mit ihrem enttäuschten Verehrer, der es nicht geschafft hat, sie für sich zu gewinnen, schreckt die Braut auf. Und Dolly wendet sich – geplagt von bösen Vorahnungen – einer Flasche Rum zu. Sie hofft, mit deren Unterstützung doch noch vor den Altar treten zu können …
Zeruya Shalev: Schicksal
Eine Begegnung, die alles in Frage stellt. Nach dem Tod ihres Vaters sucht Atara seine geheimnisvolle erste Frau. Wer ist diese Rachel, von der in Ataras Kindheit nie geredet werden durfte? Aber als sie Rachel endlich gefunden hat, nimmt ein gänzlich ungeahntes Schicksal seinen Lauf … Familiäre Verstrickungen, Schuld, vor allem aber die Liebe – das sind die Themen von Zeruya Shalevs großem neuen Roman.
Edmund de Waal: Camondo
Geschichte ist nicht Vergangenheit, sie hört nie auf und entfaltet sich in unseren Händen. Das schreibt Edmund de Waal in seinem neuen Buch, das ihn zurückführt in die Pariser Rue de Monceau, in der einst sein Vorfahre Charles Ephrussi den berühmten »Hasen mit den Bernsteinaugen« hütete, wo in unmittelbarer Nachbarschaft Marcel Proust wohnte und wo der Bankier Moïse de Camondo aus Konstantinopel ein Palais errichten ließ, in dem sich heute ein seit 1936 unverändertes Museum befindet. Niemand war zufällig in dieser »Straße der Anfänge«, sagt de Waal und beginnt, imaginäre Briefe an Moïse zu richten, über die vielfältigen Beziehungen ihrer beiden Familien, über Assimilation, Großzügigkeit, privates und öffentliches Leben und immer wieder über die Bedeutung der Erinnerung und dass es keinen »Schlussstrich« geben kann und darf.
Ayelet Gundar-Goshen: Wo der Wolf lauert
Lilach Schuster hat alles: ein Haus mit Pool im Herzen des Silicon Valley, einen erfolgreichen Ehemann und das Gefühl, angekommen zu sein in einem Land, in dem man sich nicht in ständiger Gefahr wähnen muss wie in ihrer Heimat Israel. Doch dann stirbt auf einer Party ein Mitschüler ihres Sohnes Adam. Je mehr Lilach über die Umstände des Todes erfährt, desto größer wird ihr Unbehagen: Ist es möglich, dass Adam irgendwie damit in Verbindung steht?
Judith Hermann: Daheim
Judith Hermann erzählt in ihrem neuen Roman »Daheim« von einem Aufbruch: Eine alte Welt geht verloren und eine neue entsteht.
Sie hat ihr früheres Leben hinter sich gelassen, ist ans Meer gezogen, in ein Haus für sich. Ihrem Exmann schreibt sie kleine Briefe, in denen sie erzählt, wie es ihr geht, in diesem neuen Leben im Norden. Sie schließt vorsichtige Freundschaften, versucht eine Affaire, fragt sich, ob sie heimisch werden könnte oder ob sie weiterziehen soll. Judith Hermann erzählt von einer Frau, die vieles hinter sich lässt, Widerstandskraft entwickelt und in der intensiven Landschaft an der Küste eine andere wird. Sie erzählt von der Erinnerung. Und von der Geschichte des Augenblicks, in dem das Leben sich teilt, eine alte Welt verlorengeht und eine neue entsteht.
Natascha Wodin: Nastjas Tränen
Als Natascha Wodin 1992 nach Berlin kommt, sucht sie jemanden, der ihr beim Putzen hilft. Am Ende fällt die Wahl auf eine Frau aus der Ukraine, dem Herkunftsland ihrer Mutter, die im Zweiten Weltkrieg als Zwangsarbeiterin nach Deutschland verschleppt wurde. Nastja, eine Tiefbauingenieurin, konnte nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion im wirtschaftlichen Chaos ihrer Heimat nicht mehr überleben. Sie kommt nach Berlin, arbeitet, schläft bei ihrer Schwester – und bemerkt zu spät, dass ihr Touristenvisum abgelaufen ist. Unversehens schlittert sie in das Leben einer Illegalen, wird Teil der riesigen Dunkelziffer an Untergetauchten im Dickicht der neuen, noch wildwüchsigen deutschen Hauptstadt.
Jenny Erpenbeck: Kairos
Die neunzehnjährige Katharina und Hans, ein verheirateter Mann Mitte fünfzig, begegnen sich Ende der achtziger Jahre in Ostberlin, zufällig, und kommen für die nächsten Jahre nicht voneinander los. Vor dem Hintergrund der untergehenden DDR und des Umbruchs nach 1989 erzählt Jenny Erpenbeck in ihrer unverwechselbaren Sprache von den Abgründen des Glücks – vom Weg zweier Liebender im Grenzgebiet zwischen Wahrheit und Lüge, von Obsession und Gewalt, Hass und Hoffnung. Alles in ihrem Leben verwandelt sich noch in derselben Sekunde, in der es geschieht, in etwas Verlorenes. Die Grenze ist immer nur ein Augenblick.
Douglas Stuart: Shuggie Bain
„Das beste Debüt, das ich in den letzten Jahren gelesen habe.“ (Karl Ove Knausgård)
Shuggie ist anders, zart, fantasievoll und feminin, und das ausgerechnet in der Tristesse und Armut einer Arbeiterfamilie im Glasgow der 80er-Jahre, mit einem Vater, der virile Potenz über alles stellt. Shuggies Herz gehört der Mutter, Agnes, die ihn versteht und der grauen Welt energisch ihre Schönheit entgegensetzt, aber immer mehr Trost im Alkohol sucht. Sie zu retten ist Shuggies Mission.