Missing. New YorkDon Winslow

Missing. New YorkDon Winslow

Gleich zu Beginn schon einmal die sehr gute Nachricht: Dieses Buch ist das erste einer Serie. Warum das eine sehr gute Nachricht ist? Weil der Ex-Cop Frank Decker, der seinen Job aufgegeben hat, um ein verschwundenes Mädchen zu suchen, eine klasse Figur ist. Er hat ein bisschen etwas von den so abgebrühten wie mit tief verborgenen Selbstzweifeln ringenden Old-school-Ermittlern, die man im Fernsehen gerne mal nachts in schwarz-weiß sieht. Besessen von der Sache, privat läuft es nicht so besonders und dass ab und zu das Kinn scheppert, nun ja, kann passieren. Spannend, atmosphärisch, klassische Zutaten in moderner Ausführung = guter Thriller. Fortsetzung soll sehr gerne sehr bald folgen!

Ein Kind GottesCormac McCarthy

Ein Kind GottesCormac McCarthy

Was für ein zynischer Titel. Und was für ein wahrer… Lester Ballard ist keiner, für den sich ein Herz erwärmen kann. „Verroht“, möchte man sagen. Eher ein ausgewildertes, unberechenbares Tier als ein Mensch? Oder eben doch eines der vielen Kinder Gottes? Zu Beginn der Erzählung steht es schlimm um Lester, dann wird es schlimmer, schließlich scheint er selbst den Boden des Abgrunds noch einmal zu durchstoßen. McCarthy erzählt davon jedoch in einer Nüchternheit, die dem Entsetzen eine ganz andere Note gibt. Gestützt vor allem durch den Kontrast, der mittels der phantastischen Beschreibung all dessen, was Nicht-Mensch ist, gesetzt wird. Nach 40 Jahren ist die Geschichte eines Ausgestoßenen und Verlierers auf Deutsch erschienen. Tief beeindruckend. Tief verstörend.

Land der GewohnheitTed Thompson

Land der GewohnheitTed Thompson

Die Überlegung von Anders ist nicht so ganz neu: Man geht frühzeitig in den Ruhestand, trennt sich von der Frau und sowieso wird alles nicht nur anders, sondern besser, richtiger werden. Doch, man kennt es aus mündlichen und schriftlichen Erzählungen, was folgt ist: Pustekuchen. Dabei hatte alles so verheißungsvoll angefangen, als man noch jung und unbeugsam war. Thompson erzählt von Anders, wie er wurde, was er ist, und warum dessen Leben jetzt ins Schlingern kommt. Und er erzählt von der Generation der Söhne – die es besser wissen sollte, aber anscheinend gibt es Fehler, die man eben einfach machen muss. Mit Glück geht es gut aus, aber immer wieder auch ganz und gar nicht.
Vergleiche mit Updike liegen auf der Hand. Alles relativ unspektakulär, aber doch originell erzählt. Eine Kritik, in der man auch mehr zum Inhalt erfährt, gab es in der „Zeit“: http://url9.de/W62

Der CircleDave Eggers

Der CircleDave Eggers

Über kaum ein Buch wurde so viel berichtet wie über dieses. Nicht unbedingt, weil es so brillant geschrieben oder die Charaktere so ausgefeilt angelegt worden wären, wahrlich nicht. Sondern weil es ein Roman ist, der sich erschreckend nahe an der (kurzfristigen) Realität bewegt. Darum geht es: Der „Circle“ ist ein sehr cooles Internetunternehmen, Traumarbeitgeber für alle, die Apple, Google, Twitter, Facebook etc. lieben. Mae hat dort einen Job ergattert. Und was folgt, ist das, was sich tatsächlich abzeichnet – nicht (nur) der Staat überwacht seine Bürger, das machen diese in ihren Unternehmen schon ganz allein… Das Reizvolle: Man guckt danach ein bisschen kritischer auf die tolle App, die man sich gerade heruntergeladen hat. Und fragt sich, wie transparent man wirklich sein will oder ob es wirklich notwendig ist, dass irgendjemand da draußen mitkriegt, dass man seine 10.000 Schritte täglich mal wieder (knapp!) nicht geschafft hat…

Der SohnJo Nesbo

Der SohnJo Nesbo

Die Bösen sind selten gut, aber die Guten eben manchmal auch böse – will uns das der Autor sagen? Vielleicht. Vielleicht wollte er aber auch einfach nur das tun, was er so formidabel kann: einen guten Krimi schreiben. Die Ära nach Harry Hole, der Kultfigur aus den früheren Büchern von Nesbo, hat begonnen. Und erstaunlicherweise stört das nicht sonderlich. Die Helden sind wieder gebrochen, das Ganze ist vielleicht etwas weniger grausam als früher, aber spannend, und worauf kommt es sonst an?, ist es nach wie vor. Sonny, der Sohn, bricht aus dem Gefängnis aus, um seinen Vater zu rächen. Dieser war einst Polizist, hat sich aber nach seinem Korruptionsgeständnis umgebracht. Sonny erfährt, dass die Geschichte wohl ganz anders gelaufen ist. Was folgt, ist extrem gut und im Krimisinne unterhaltsam zu lesen. Und wenn man daraus eine Lehre ziehen will, dann kann man das tun. Oder auch lassen. Und sich einfach schon mal auf den nächsten Krimi von Nesbo freuen, der es einfach versteht, gängige Zutaten zu einem überraschenden Gericht zu kombinieren.