Jonathan Safran Foer: Hier bin ich

Jonathan Safran Foer: Hier bin ich

Der blödeste Vorwurf, den die Kritiker dem neuen Roman von Foer machen: Die Dialoge sind zu unglaubwürdig, zu gezirkelt. Natürlich sind sie das! Zum Glück sind sie das! Oder will jemand das langweilige Tchibo-Gelaber lesen, das uns den ganzen Tag in die Ohren geflutet wird (und das wir selbst absondern)? Darum greifen wir doch zu Büchern! Und weil Foer clever schreiben kann, macht er es eben auch. Richtig so. Aber so ist es dann wohl, wenn man zu erfolgreich, zu gut, die Biografie scheinbar zu glatt oder zu glamourös oder schlicht zu beneidenswert ist – die „Ich weiß es aber immer besser und ehrlich gesagt bin es auch, ich habe nur keine Zeit dazu“-Seele der Kritiker jault. (Im anderen Fall hätten sie natürlich geschrieben, das wäre alles zu flach, zu normal, da könne man sich ja auch mit dem Hausmeister unterhalten). (mehr …)

Bella GermaniaDaniel Speck

Bella GermaniaDaniel Speck

Die Modedesignerin Julia bekommt überraschend Besuch von ihrem italienischen Großvater und begibt sich auf eine Reise in die familiäre Vergangenheit, deren Spuren bis in die Gegenwart reichen. Beschrieben wird eine überwältigende deutsch-italienische Lebensgeschichte, die aktueller den je scheint. Denn neben den unterschiedlichen Lebensverläufen der Familienmitglieder, steht deren Heimatlosigkeit, als immer wieder treibende und ausschlaggebende Kraft, im Focus der Erzählungen, die zu der Zeit spielen, in der Deutschland italienische Gastarbeiter ins Land holte.
Das besondere an diesem Buch ist aber die Liebe, die all diese sich doch eher fremd gewordenen Familienmitglieder verbindet.
Trotz großer Entfernungen und unterschiedlicher Generationen ähneln sich die Wünsche und Ziele, die sie durchs Leben lenken.
Dieses Buch verdient es gelesen zu werden. Die Protagonisten rücken einem ans Herz und bleiben dort, auch nach der letzten Seite. Daniel Specks Debütroman ist eine Suche nach den Wurzeln. Eine Liebesgeschichte. Ein historischer Roman. Und ein Buch, das sich von Seite zu Seite mit mehr Leben füllt.

Eine Empfehlung von: Antje Stock

Blaue NachtSimone Buchholz

Blaue NachtSimone Buchholz

Es ist nicht so, dass man abends noch einmal das Sicherheitsschloss an der Wohnungstür überprüft, nachdem man das Buch von Simone Buchholz gelesen hat. Ja, es ist ein Krimi, doch da ist die Bandbreite der Spannung nun einmal groß. Aber halb so wild (oder eben doch…): Es gibt Polizisten, es gibt böse Jungs, es gibt Österreicher mit gebrochenen Knochen. Und das Ganze spielt in Hamburg. Ist cool geschrieben. Langweilt nicht. Perfekt, wenn man sich gut unterhalten lassen will. Das wäre dann insgesamt also ein ziemliches Lob für „Blaue Nacht“. Platz 4 (vorher 1!, herrje) der Krimi-Bestenliste der „Die Zeit“ ist allerdings natürlich – nun ja, seltsam.

kd

Löwen weckenAyelet Gundar-Goshen

Löwen weckenAyelet Gundar-Goshen

Bitte nicht vom Thema abschrecken lassen, weil es einem so bekannt vorkommt. Denn ja, die Konstellation kennt man, aber auch ja: So hat man das noch nicht gelesen.

Es ist ein Versehen, als der Neurochirurg Etan nachts einen Mann überfährt. Er begeht Fahrerflucht, verliert aber sein Portemonnaie am Tatort. Und dann steht plötzlich die Frau des Opfers, eines illegalen Einwanderers, vor seiner Tür. Die Erpressung: Er soll anderen Flüchtlingen aus Eritrea medizinische Hilfe zugute kommen lassen. Jede Nacht, in einem improvisierten Krankenlager. Die Alternative wäre, Job und Familie zu verlieren… Die Aktualität erhält die Geschichte sicherlich aus der Flüchtlingsthematik. Doch noch faszinierender ist, wie Gundar-Goshen (Autorin und Psychologin, lebt in Tel Aviv) ihren Figuren – ob nun Etan oder seiner Frau, der Polizistin Liat, oder Sirkit, der Frau des Opfers – in die Seele schaut und das, was sie da findet, in Sprache kleidet. Außergewöhnlich!

kd

Bitter Wash RoadGarry Disher

Bitter Wash RoadGarry Disher

Constable Paul Hirschhausen wird in eine Kleinstadt versetzt, da er zuvor in einer korrupten Polizeibehörde tätig war und seine eigenen Leute anzeigen musste.
Kurz darauf wird ein junges Mädchen tot am Straßenrand aufgefunden. Er bezweifelt, dass sie einfach nur überfahren wurde. Ebenso glaubt er nicht an den Selbstmord einer Frau, der sich kurz darauf ereignet. Seine neuen Kollegen sehen das anders und versuchen Tatsachen zu verschleiern. Daher ist Constable Hirschhausen, genannt Hirsch, erneut mit seiner Meinung allein und muss feststellen, dass auch in dem kleinen Ort nahe Tiverton nicht alles mit rechten Dingen zugeht.
Garry Disher ist ein Meister der Krimiliteratur. Der außerordentliche Plot der Geschichte überzeugt genauso wie das sprachliche Niveau dieses Buches.
Die Spannung wird bis zum Ende aufrecht erhalten. Außerdem wird die Atmosphäre der beschriebenen Kleinstadt brillant beschrieben. Es wird deutlich, wie schwierig es ist von außen in eine derart bestehende Dorfgemeinschaft einzudringen. Nach und nach versteht Constable Hirschhausen die Beziehungen und Abhängigkeiten der einzelnen Personen.
Als Leser werden wir Teil davon und stehen ihm bei der Lösung seines Falles zur Seite.
Krimilektüre auf höchstem Niveau. Ein Genuss für alle Fans dieses Genres.

 

Eine Empfehlung von: Antje Stock

Ein Brautkleid aus WarschauLot Vekemans

Ein Brautkleid aus WarschauLot Vekemans

Ein stilles, beeindruckendes Buch, das einem im Herzen bleibt.
Marlena, 20 Jahre alt, lebt in Polen mitten auf dem Land und ahnt noch nicht, was das Leben alles für sie bereithält.
Eine Begegnung in einem Warschauer Cafe verändert ihr Leben entscheidend. Sie verliebt sich in Nathan, der bei einem entfernten Verwandten in einem Hotel wohnt, da er seiner Familiengeschichte auf den Grund gehen möchte. Die Beiden verbringen eine intensive Zeit miteinander, ohne dass Marlenas Mutter etwas davon ahnt.
Als Nathan dann unerwartet zurück nach Amerika muss, ohne zu wissen, dass Marlena von ihm schwanger ist, wird ihr Leben auf den Kopf gestellt.
Der Autorin gelingt es Marlenas Zwiespälte zu beschreiben, ihre Suche nach dem richtigen Weg, bestimmt von ungünstigen Zufällen und Verknüpfungen. Sie schildert die Ereignisse aus unterschiedlichen Blickwinkeln und nimmt uns mit auf eine Lebensreise, die geprägt ist von den stets unberechenbaren Auswirkungen immer neu getroffener Entscheidungen. Die Entbehrungen, die Teil des Lebens sind, werden einfühlsam und packend beschrieben. Als Leser wünscht man der Hauptperson immer wieder, dass sie nochmal neu entscheiden könnte, wie sie ihr Leben verbringen möchte. Doch so ist das Leben nicht und im Verlauf des Buches beginnt man auch als Leser zu akzeptieren, dass es keine andere Wahl gibt, als stets voranzuschreiten und mit den etwaigen Konsequenzen zu leben.
Lot Vekemans ist eigentlich bekannt geworden durch das Schreiben von preisgekrönten Theaterstücken. Ein Brautkleid aus Warschau ist ihr erster Roman, der ihr meiner Ansicht nach sehr gelungen ist.
Sehr lesenswert!

Eine Empfehlung von: Antje Stock